Vietnam, letzte Erinnerung

Ich frage mich, was bleibt nach diesen knappen zwei Wochen. Viele Beobachtungen, von denen ich schon geschrieben habe, aber auch Eindrücke, die nicht so leicht in Buchstaben fließen. Es ist das, was am Rande steht nach einer Reise, auch nach einer langen Recherche; das vielleicht Unausgesprochene, das uns aber stark gegriffen hat, als wir es nicht merkten. Hier ist es der Eindruck eines Landes, das mit einer riesigen Geschwindigkeit an sich selbst vorbeirauscht – wenn es seine Ressourcen verliert, die Flüsse trocken fallen, der Wald gerodet ist. Und wenn es gleichzeitig so vielen Menschen besser geht als vorher, weil der Tourismus kommt, vieles doch funktioniert, was woanders nicht geht: Sauberkeit und Sicherheit etwa.

Mein Eindruck bewegt sich zwischen diesen beiden Polen, der Zerstörung und der Entwicklung, und ich habe noch nicht sortiert, wie das Spiel dazwischen verläuft oder besser laufen könnte. Und wie wir von Außen dies den Dozenten erklären und zeigen können für ihre Medienlehre.

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Und die Minderheiten in Sapa bleiben mir im Gedächtnis mit ihren bunten Taschen, Tüchern und Decken, die wohl in China gefertigt werden nach ihren alten Mustern. Hauptsache, es sieht gut aus. Ich habe es auch gekauft und denke, hoffe, dass irgendetwas bei den Mongh hängen bleibt, an denen das Wachstum der Stadt immer noch vorbei geht. Der ganze Norden ist, wie jetzt wieder eine Karte der Weltbank zeigt, immer noch arm. Es sind die alten Lieder, die wir über den Turbokapitalismus singen, wenn er langsame Lande befällt: Investoren aus der Ferne, deren Ausgaben zu Einnahmen werden, die nur zum Teil vor Ort hängen bleiben. Eine neue Mittelschicht, deren Kinder jetzt wieder vom Auslandsstudium zurückkommt und Arbeit suchen.

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Reisbauern, die in die Städte ziehen, weil ihr Land nichts mehr hergibt und dort alles fließt und zum Besseren wächst, vermeintlich. Aber sie ziehen auch weiter wegen des fehlenden Wassers und schlechterer Ernten, wegen der Klimafolgen. Und das ist meine direkte Erinnerung: Der Klimawandel ist in Vietnam kein Thema der Wissenschaft, der politischen Konferenzen, keine theoretische Diskussion, die in der Ferne spielt. Er ist Alltag, Teil des Lebens, er verändert das ganze Land bereits, auch wenn er nicht genannt wird oder die Menschen davon nichts wissen. Er ist direkt und indirekt, überall und nirgends, hat Täter und Opfer vereinigt, wirkt jetzt und in 50 oder 100 Jahren. Er ist eine Chimäre einerseits und dann doch wieder der Strand, der unter dem letzten Hotel weggebrochen ist oder die Einöde, die einmal ein Feld war.

Im September kommen wir wieder und arbeiten dann mit den Gruppen zu Wald und Arten, ich bin gespannt. Mir kommt jetzt noch Naomi Klein mit ihrem neuen Buch in den Sinn, das grundlegend die Frage stellt, wie Kapitalismus und Klimawandel zusammengehen. Die Zweifel sind da.

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